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Mein Verein: Magdeburger Friseurmuseum

In 2019 feiert der Magdeburger „Haar-Verband e. V. “ den zehnten Geburtstag seines Friseurmuseums und kann zugleich einiges zu einem anderen Jubiläum beitragen: Wenn das 100-jährige Gründungsjubiläum des Bauhauses begangen wird, zeigt man hier die Haarmode der 20er Jahre. Nicht nur das: Im Haus in der geschichtsträchtigen Beimssiedlung gilt stets: Das Anfassen der Friseur-Handwerkszeuge ist ausdrücklich erwünscht!

Blick ins Magdeburger Friseurmuseum

In Magdeburg-Stadtfeld werden die Traditionen des Friseurhandwerks bewahrt und mit viel Liebe zum Detail präsentiert. Foto: Manuela Bock

Von Manuela Bock

Als sich im Jahr 2008 acht Magdeburger Friseure dazu entschließen, einen Verein zu gründen, der sich dem Friseurhandwerk widmet sowie Traditionen und Frisurentechniken bewahrt, haben sie sich nicht träumen lassen, was sie damit in Gang setzen. Sie bauen den Verein „Haar-Verband e. V.“ auf, finden, dank Unterstützung der Wohnungsbaugesellschaft Magdeburg mbH (Wobau), Räume in der Walbecker Straße, bauen sie zum Museum aus, sammeln alles, was Historie veranschaulichen kann. Ein Logo entsteht – eine Haarsträhne die von einer Schleife gehalten wird. Das passt nicht nur, weil es hier um Haare geht, sondern auch, weil es zeigt, dass der Verein vieles bündelt. „Es symbolisiert zudem unseren Zusammenhalt“, erklärt Barbara Psoch. „Nur zusammen sind wir Handwerker mit den Freiwilligen stark.“

Die Vereinsvorsitzende ist stolz auf den Kreis, der fest zusammenhält. 22 Friseure, vorwiegend aus Stadtfeld, sind Vereinsmitglieder. Berufstätige, Studenten, Praktikanten und Ruheständler engagieren sich inzwischen im „Haar-Verband“, als freiwillige Museumshelfer oder Unterstützer von der Magdeburger Freiwilligenagentur, wie die Frauen vom „Dialog der Generationen“. „Alle machen mit, weil sie Lust und Laune haben, Geld kann man hier nicht verdienen“, so Psoch. „Gern können sich auch noch weitere Freiwillige bei uns als Museumshelfer melden, die Zeit zu verschenken haben.“

Im Mittelpunkt der Vereinsarbeit steht das Friseurmuseum, das einzige, das es in der Region gibt. In sechs Räumen sind die Arbeitsmittel von Barbieren oder Perückenmachern zu sehen, Objekte rund um Haare, Haarmode, Kosmetik und Handwerk: Brennscheren, Perücken, wie sie in längst vergangenen Zeiten getragen wurden, oder historische Rasiermesser und Apparate für die Dauerwelle. Dazu gesellen sich Postkarten, Wetzsteine, Lederriemen und Rasierapparate. Das Herzstück der fünf Ausstellungsräume in der Walbecker Straße bildet ein kompletter Frisiersalon aus dem Jahr 1928, der passenderweise aus einem Salon vom Walbecker Platz stammt. Auf den Tischen und Kommoden liegen kleine Zettel, auf denen steht: „Handhabung erlaubt“. „Anschauung ist sehr wichtig“, sagt Barbara Psoch. „Man muss schließlich fühlen, woher das Handwerk wirklich kommt.“ Die Vereinsvorsitzende ist in ihrem Umfeld bekannt dafür, dass sie nicht stillsitzen kann. Wenn sie ins Museum tritt, beginnt sie zu „wuseln“ und zu schwärmen.

Die „Stadtfelderin mit Leib und Seele“ hat über 30 Jahre für das Friseurhandwerk gearbeitet, „immer mit Liebe zum Beruf“, wie sie sagt. Als Lehrmeisterin und später als Fachlehrerin an der Berufsschule hat sie ihr Wissen an den Nachwuchs weitergegeben. Heute ist sie die klassische Vertreterin des „Un-Ruhestandes“. Mit schnellen Schritten geht sie durch die Räume zeigt hier auf eine „originelle Barttasse“ oder dort auf eine wertvolle „Gedenktafel der Barbiere, Friseure und Perückenmacher Magdeburgs“ – als Beweis für die von König Friedrich Wilhelm I. unterzeichnete Innungsgründung von 1713. Barbara Psoch sagt: „Sie besteht aus feiner Seide und wurde von Perückenmachern im Jubiläumsjahr 1913 mit echten Haaren bestickt. Man sieht darauf sogar ein aus Haaren gesticktes Stadtwappen. In welcher Stadt gibt es das schon?“ Dann verweist sie auf eine historische Schaufensterbüste von 1920 namens „Bella Marie“ die eine aufwändige Rokoko-Schiffs-Frisur trägt, bleibt stehen und taucht weit in die Haar-Geschichte ab.

Einst, als es mit der Nachrichtenübermittlung am französischen Hofe noch schwierig war, sei die Perückentracht eine Botschaft gewesen, erklärt Psoch. Hatte die Dame des Hauses zum Fest das Kriegsschiff „La Fregatte“ auf dem Kopf, wussten die Gäste: Frankreich ist siegreich gegen die Engländer aus der Seeschlacht hervorgegangen. Aus „friedliebenden Gründen“, arbeitet das Gestaltungsteam im Jahr 2017„Bella-Marie“ symbolisch ein Friedensschiff in die hochgesteckte Frisur ein.

Die Vereinsvorsitzende geht ein paar Schritte weiter zu Zöpfen, die von der Decke baumeln, meint lachend: „Manchmal muss der alte Zopf eben ab.“ Und schon hat sie den Bogen zur „Bubikopf“-Zeit geschlagen. Die Kurzhaarfrisur für Mädchen und Frauen gehöre zur Emanzipation, sagt sie. Bevor sich die Damenwelt die Haare in den 1920er Jahren „unerhört kurz schneiden ließ und damit viele Proteste in der Männerwelt auslöste, waren ausschließlich Langhaar-Frisuren auf den weiblichen Köpfen zu finden. Für Barbara Psoch „passt dieses Thema ganz wunderbar zum Bauhaus-Jubiläum“.

Wenn 2019 ganz Deutschland mit Partnern in der Welt das 100. Gründungsjubiläum des berühmten Bauhauses und der Bewegung des modernen Denkens begeht, trägt auch das Friseurmuseum in Stadtfeld seinen Teil dazu bei, den damaligen Zeitgeschmack in abgewandelter Form wieder aufleben zu lassen.

Es hat seinen Sitz in der Beimssiedlung, einem Flächendenkmal der „Magdeburger Moderne“. Darum wird es voraussichtlich nicht nur die Türen für spezielle Aktionen und Besichtigungen öffnen, sondern auch gemeinsam mit der Magdeburger Handwerkskammer und der Stadt im März 2019 eine Sonderaktion der Stadtfelder Friseure ins Leben rufen mit dem Arbeitstitel „Der Zopf ist ab – die Bubiköpfe der 20er Jahre“.

Ideen dafür haben die Vereinsmitglieder natürlich längst entworfen, stimmen sich jetzt mit möglichen Partnern der Salons ab. In die Öffentlichkeit zu gehen, halten sie alle für sehr wichtig, so Psoch.

Der Verein will Aufmerksamkeit fürs Handwerk erzeugen und ist zudem immer auf der Suche nach Objekten, die seine Sammlung weiter ergänzen. „Es ist erstaunlich, was so alles bei den Menschen in Kellern oder Dachböden verstaubt“, sagt die Vorsitzende. Wenn sich die Tür im Stadtfelder Friseurmuseum öffnet, kommen nicht selten „Spender“ herein. „Neulich kam ein Friseurehepaar extra aus Loburg hierher“, erzählt Psoch. Im Gepäck hatte es kostbare, historische Fachbücher, was eine „große Bereicherung für die Präsenzbibliothek“ sei. Aufgebaut haben die Buchsammlung in freiwilligen Stunden die ehemaligen Bibliothekarinnen Sigrid Lange und Eva Steffens.

Mehr als 2000 katalogisierte Bücher und Zeitschriften stehen nun allen bereit, die in Original-Literatur blättern möchten. Auch das gehört zum Bewahren, genau wie die Klassentreffen ehemaliger Friseurlehrlinge oder Meisterschüler, die hier stattfinden, oder die angemeldeten Führungen. Barbara Psoch sagt: „Ich könnte stundenlang erzählen, aber am besten ist immer noch, einfach vorbeizukommen.“

Weitere Neuigkeiten aus Magdeburg-Stadfeld finden Sie in der aktuellen Ausgabe „Mein Stadtfeld“.

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