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Magdeburgerin unterstützt Krebspatienten mit Kunsttherapie

Selbst eine Krebserkrankung überwunden, hat Ingrid Weiland nahezu ihr ganzes Leben von Grund auf geändert und ist heute aktiv für andere in der Krebsliga Magdeburg e.V. engagiert. Sie leitet unter dem Dach der Unifrauenklinik in der Gerhart-Hauptmann-Straße die Kunsttherapie der Liga. Über ihr bewegtes Leben sprach sie mit Anna Mydla von „Mein Stadtfeld“.

Ingrid Weiland

Ingrid Weiland vor den Ergebnissen ihres kunsttherapeutischen Angeobtes unter dem Dach der Universitätsfrauenklinik Magdeburg. Foto: Anna Mydla

Von Anna Mydla

Ingrid Weiland, Sie leiten heute die Kunsttherapie für interessierte Krebspatientinnen der Akuttherapie an – wie sind Sie dazu gekommen?
Kunsttherapie zu studieren war mein Traum, weg vom Kopf hin zur Intuition sozusagen. Für mich als freiberufliche Künstlerin war es die Möglichkeit, Kunst und Therapie zu verbinden und damit eine neue Möglichkeit, mit Menschen zu arbeiten – was ich sehr gerne tue. Nach dem Abschluss bewarb ich mich mit einem Konzept in der Unifrauenklinik, um mit Krebskranken zu arbeiten. Das war 2007. Es sollte allerdings noch bis 2010 dauern, ehe es wirklich Realität wurde.

2010 selbst betroffen, hatte ich Kontakt mit dem damaligen Oberarzt Dr. Eggemann und dieser war meiner Idee gegenüber sehr aufgeschlossen und unterstützte sie. Zu meiner OP brachte ich das neue überarbeitete Konzept mit und zu seiner ersten Visite suchten wir schon einen geeigneten Raum. Und so wurde mein Traum Realität. Nach dem Abschluss all meiner Therapien, der Operation, Chemos und Bestrahlungen, begann ich 2011 in der Klinik mit der Arbeit.

Zu dieser Zeit war ich schon Mitglied der Magdeburger Krebsliga. 2017 bin ich in den Vorstand gewählt worden, dort bin ich tätig als Schatzmeisterin. Das hat sich sozusagen als Diplom-Betriebswirtin angeboten. Es ist eine interessante Tätigkeit mit vielen Herausforderungen. Leider ist die Krebsliga nicht regelfinanziert, sondern auf Spenden angewiesen – was ich persönlich für bedenklich halte bei der ständig steigenden Anzahl der Krebsfälle weltweit. Außerdem macht es die Finanzplanung in unserer Arbeit nicht leichter.

2017 gab es durch die Magdeburger Volksstimme einen Spendenaufruf „Leser helfen“, zu welchem sich Vereine mit geeigneten sozialen Projekten bewerben konnten. Wir beteiligten uns mit dem Kunsttherapieprojekt „Lebenskünstler“ und gehörten zu einem der sechs ausgewählten geförderten Projekten. So begannen wir 2018 mit dem für die Teilnehmer kostenlosen Kursen mit großem Erfolg.

Sie sind ja nicht nur engagiert in der Magdeburger Krebsliga e.V. sowie als Künstlerin, Sie haben auch schon ganz verschiedene Berufe ausgeübt – vielleicht können sie von ihrem spannenden Berufsweg berichten?
Ja, auf jeden Fall hatte ich einen sehr spannenden Berufsweg, das kann man wohl so sagen! Ich habe nach dem Abitur ein Studium für Betriebswirtschaft im Gesundheitswesen absolviert (nach der Wende als Diplom-Betriebswirt anerkannt) und begann als Verwaltungsleiter in einer Ambulanz für Lungenkrankheiten als Jüngste von 20 Mitarbeitern. Ich hätte gerne die neue Poliklinik übernommen, aber dafür fehlte mir das entsprechende Abzeichen. So arrangierte ich mich eben in dieser Ambulanz, war aber überhaupt nicht ausgelastet. Dann wurde ich als Nachfolge-Kandidatin für den Verwaltungsdirektor im damaligen Kreiskrankenhaus ausgewählt, hatte aber wieder das gleiche Problem des fehlenden Abzeichens.

Und das war mir dann zu dumm und ich habe nicht nur die Stelle gewechselt, sondern auch gleich noch den Beruf. Ich ging als Planer in die Eisengießerei der Hettstedter Saigerhütte. Mein Vater arbeitete bereits ein Leben lang in dieser Hütte als Dreher, später als Leiter des Lohnbüros. Der Wechsel war insofern krass, dass ich quasi sieben Bürodamen gegen 70 Männer eintauschte – von Büro-Intrigen zu „rauh aber herzloser“ Atmosphäre. (lacht!!!) Während die Meister mich anfangs „sterben lassen“ wollten, haben ein paar andere täglich versucht, mich zu provozieren, was ihnen aber nicht gelungen ist. Irgendwann meinte ein Kollege, das mache überhaupt keinen Spaß, mich zu ärgern. „Dann lass es einfach sein“ meinte ich und schon hörte das auf. Ich hatte die Feuertaufe sozusagen bestanden und von da an wusste ich alle hinter mir.

Da ich immer gerne mit fundiertem Wissen arbeite, habe ich also in dem gleichen Jahr noch ein Studium der Gießerei-Technik in Leipzig begonnen und wurde ein Jahr später Technologin und später Gießerei-Leiterin. Ein männlicher Technologe wurde zuerst für diesen Job vorgesehen, ich erhob Einspruch und meinte, das kann ich auch!!! Und ich konnte es, zehn Jahre lang, bis die Treuhand– nicht nur die Gießerei endgültig schloss. Es war täglich eine spannende Herausforderung, mein Fachwissen war mittlerweile republikweit bekannt und egal, wo ich in dieser Branche unterwegs war, ich war die einzige Frau.

Nach der Wende habe ich noch versucht, die Gießerei zu retten, habe sie auf betriebswirtschaftliche Füße gestellt, Konzepte eingereicht, aber die Abwicklung war nicht mehr aufzuhalten. Ja, und inzwischen hatten wir schon drei Jahre Wende. Das hieß also nach vorne schauen und neu orientieren…tschüss Fachwissen.

Sie haben öfter im Leben Ihren beruflichen Fokus neu ausgerichtet, empfinden Sie davon irgendwas als Bruch?
Was mich ein Leben lang angetrieben hat, war mein Gerechtigkeitssinn und Bauchgefühl. Wenn mein Bauch sagt, es ist nicht mehr stimmig für mich, es ist genug, dann gehe ich immer nach vorne, verändere und hadere nie mit dem neuen Weg, sondern gehe ihn.

Veränderung ist ein zentrales Thema im Leben, man kann sich nicht nicht verändern. Ohne Veränderung gäbe es keine Weiterentwicklung, sondern Stillstand. Deshalb sehe ich es nicht als Bruch, sondern als meine persönliche Flexibilität und als Herausforderung, Neues auszuprobieren.

Wenn es ein Bruch gewesen wäre, wär‘ ich in das Heer der Arbeitslosen eingetreten, und das wollte ich auf jeden Fall vermeiden. Ich besann mich also auf meinen ursprünglichen Beruf, arbeitete als Controllerin in einer Krankenkasse, nebenberuflich als Entspannungs- und als Kommunikationstrainerin. Den Rest kennen Sie ja schon (schmunzelt).

Und heute? Heute achte ich darauf, dass mein Leben im Fluss bleibt, dass ich in meiner Mitte bin. Ich beschäftige mich mit Malerei und mache jährlich zwei Ausstellungen, mit Fotografie, mit Ph-orientierter Ernährung, mit der daoistischen Philosophie, also der Suche nach dem „Dào“.

Ich entdecke immer Neues, achte auf die kleinen Dinge im Leben und würde gern noch so vieles ausprobieren. Wenn ich alle meine Ideen verwirklichen will, dann muss ich 120 Jahre alt werden…mal sehen (lacht).

Was bedeutet das, Sie sind auf der Suche nach dem „Dào“ – klingt geheimnisvoll?
Wer mich kennt, der weiß, ich war bereits dreimal zum Taichi-Training im chinesischen Wudang-Gebirge, der Heimat des Daoismus. Dabei war ich auch dreimal auf dem heiligen Berg Tianzhu, dem Berg der höchsten Harmonie, heiligstes Gebirge unter dem Himmel. Ein schweißtreibender Aufstieg, mit einem Höhenunterschied von sage und schreibe etwa 850 Metern, gefühlten 6000 Stufen bei circa 40 Grad und 85 Prozent Luftfeuchtigkeit.

Das ist übrigens eine unglaubliche Erfahrung und lässt einen auch mal die eigene Perspektive verlassen – was unheimlich hilfreich sein kann.

Das chinesische Wort „Dào“ heißt wörtlich übersetzt ‚Weg‘,und bedeutet soviel wie ‚der rechte Weg‘, ‚die höchste Wahrheit‘. Die Philosophie des Dào ist tief verwurzelt im chinesischen Denken und Handeln und betrifft wirklich alle Lebensbereiche – von der Ernährung, der Lebensweise, dem Umgang mit anderen und der Natur.

Heute vertrete ich einen ganzheitlichen Ansatz von Körper, Geist und Seele als eine Einheit. Ich versuche dem Dào eben auch in meinem Leben einen Platz einzuräumen. So ist die Ph-orientierte Ernährung, als Bestandteil der Traditionellen Chinesischen Medizin (kurz: TCM) sehr wichtig in meinem Leben geworden, ganz besonders nach meiner Diagnose. Ich kaufe basische Lebensmittel ein, um meinen Körper zu unterstützen. Denn unser Organismus versucht, egal wie wir uns ernähren, den Ph-Wert immer in der Waage zu halten. Unsere Ernährung ist heutzutage zu 80 Prozent sauer – Stress, Kummer, Angst und Druck sind ebenfalls sauer. Ein saurer Körper führt unweigerlich auf Dauer zu Krankheiten, weil der Körper es nicht mehr schafft, den Ph-Wert auszugleichen.

Für meine Ernährung heißt das: Kein Brot, keinen Kaffee, keine Butter und andere Milchprodukte, keine Wurst, wenig Fleisch und Fisch, keine zuckerhaltigen Speisen und Getränke, viel Gemüse, Kräuter, drei warme Mahlzeiten täglich. Hört sich kompliziert an, ist aber nur eine Frage der Gewohnheit.

In meiner Küche kann ich unheimlich kreativ sein, und das Internet mit seiner Vielfalt an Rezepten und das Kochbuch der „Chi-Küche“ helfen mir dabei. Ich benutze sogar eine App, mit der Produkte gescannt werden können, um deren Unbedenklichkeit zu testen. Hier wird gecheckt, inwieweit diese Lebensmittel oder Kosmetika chemische Stoffe beinhalten und deren Bedenklichkeit angezeigt. Ich versuche, soviel wie möglich an Chemie für meinen Körper zu vermeiden.

Die „Suche nach dem Dao“ ist für mich besonders nach der Diagnose zu einer Lebensphilosophie geworden, die ich gerne meinen Klientinnen der Kunsttherapie vermittle und mit ihnen teile.

Die Diagnose Krebs ist sicher eine ziemliche Erschütterung. Wie ging es dann weiter für Sie?

Diagnose Krebs ist sowas wie ein wach gerüttelt werden. Und sie schreit gerade nach Veränderung. Bereits ein halbes Jahr vor der Diagnose bekam ich jeden Tag das gleiche Signal, das da hieß „Entschleunigung“, jeden Tag lief mir das Wort über meine Stirn, ich wusste, ich muss was weglassen, aber was?

Als ich vor der Ärztin saß und sie mir die Diagnose sagte, fühlte ich als erstes „Gott sei Dank, jetzt kann ich entschleunigen“ und alles fiel einfach von mir ab. In dem Moment spürte ich keine Angst. Und dann schaute ich wieder nach vorn, auf den neuen Weg, der da hieß lesen und nochmals lesen, sowie lernen und Informationen sammeln. Ich habe eine Operation hinter mich gebracht, Chemotherapie, Bestrahlung – also das komplette Programm. Auf zehn Jahre Tabletten habe ich nach zwei Jahren aus eigenem Wunsch verzichtet, habe meine komplette Ernährung umgestellt und Bewegung zum Hauptthema gemacht. Meditationen halten mich in meiner Mitte.

Ich war schon immer ein spiritueller Mensch, denke ich, der Krebs war dann einfach ein Katalysator und hat mich zur daoistischen Philosophie gebracht.

Egal ob berufliche Veränderung, Krankheit und Heilung, spirituelles Wachstum, künstlerisches Entfalten – bei alldem stand meine Familie immer hinter mir, ihr Rückhalt war mir sicher. Das ist natürlich die Basis, um so einen Weg gehen zu können.

Mehr engagierte Menschen aus Magdeburg-Stadtfeld kennen lernen? Lesen Sie die aktuelle Ausgabe „Mein Stadtfeld“.

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