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Das sind wir: Magdeburger Krebsliga

Solange unser menschlicher Körper problemlos funktioniert, nehmen wir kaum Notiz von ihm. Es wird als selbstverständlich hingenommen, dass wir uns von einem Ort zum anderen bewegen, Lasten mit uns tragen, das Tagwerk verrichten können. Erst der Einbruch einer schweren Erkrankung lässt uns begreifen, wie fragil unsere physische Hülle und wie unvorhersehbar das Leben ist. Eine schwere Krankheit wie Krebs gar vermag das gesamte Lebensarrangement für immer zu verändern und uns zwingen, unsere Zukunftspläne zu verwerfen.
 

Vorstand der Magdeburger Krebsliga

Der Vorstand der Magdeburger Krebsliga (v.l.): Gisela Nowak, Dr. Roswitha Willenius, Ingrid Weiland und Kornelia Wichmann. Foto: Eileen Assel


 

Von Anna Mydla
 
Der Einbruch einer Erkrankung wie Krebs ist meist übermächtig, auch wenn mit Diagnosestellung die ganze Bandbreite den meisten Menschen in diesem Moment noch nicht bewusst wird. Oft kreisen eintausend Gedanken im Kopf herum, während der Betroffene – ausgestattet mit Flyern und umfassendem Informationsmaterial – aus der Arztpraxis heraus stolpert. Eine Betroffene, welche die Erkrankung überlebt hat, beschreibt den Moment der Gewissheit durch den Arzt als „Gefühlschaos“. „Flyer und Aufklärungsmaterial, so wichtig sie auch sind, können die emotionale Zerrissenheit der Menschen zwischen eben noch mitten im Leben und gefühltem Tod nicht auffangen“, erinnert sie sich zurück und möchte anonym bleiben.

Um Antworten auf die vielen Fragen zu erhalten, die sich zumeist erst in den folgenden Tagen und Wochen einstellen, können sich Betroffene, aber auch deren Angehörige an die Magdeburger Krebsliga e.V. in der Gerhart-Hauptmann-Straße 35 wenden. Der Verein versteht sich als Kontakt- und Beratungsstelle für Ratsuchende aus Magdeburg und Umgebung, als landesweite Selbsthilfeorganisation und als Schnittstelle der verschiedenen Krebs-Selbsthilfegruppen.

Unter den Leitgedanken „Auffangen – beschützen – Kraft geben“ wurde die Magdeburger Krebsliga e.V. im Jahr 1990 als gemeinnütziger Verein gegründet und wird seitdem von einem ehrenamtlichen Vorstand geführt.

„Erst in den Wochen nach der Diagnose tauchen manche Fragen auf, denn die Psyche hängt einfach ein bisschen hinterher“, erzählt Andrea Perner, Psychoonkologin und fachliche Leiterin des Vereins und weiter: „Manche kommen irgendwann, weil sie das Gefühl haben, den Familienmitgliedern wird das Krankheitsthema zuviel und sie wissen nicht, mit wem sie sprechen können. Manche kommen nach Jahren erst, weil sie die Krankheitsauswirkungen nicht verarbeitet haben, medizinisch zwar alles abgearbeitet, aber Ängste wieder hervor brechen durch erneute Konfrontation“.

Aber auch in allen sozialrechtlichen Belangen ist die Anlaufstelle unter dem Dach der Landesfrauenklinik da: Wenn Betroffene durch die Erkrankung in finanzielle Schwierigkeiten gekommen sind, bei Fragen rund um die Beantragung von Rehabilitationskuren, EU-Renten, Pflegegraden oder einem Schwerbehindertenausweis.

Aber der erste Anker für Hilfesuchende ist immer noch die psychoonkologische Betreuung: „Manchmal kann ein Patient sprachlos sein, weil die Worte fehlen, um dem Unaussprechlichen Raum zu geben. Aber auch das Verdrängen muss man mitunter zulassen können, denn auch das ist eine Strategie. Das sind Mechanismen, die unsere Psyche bisweilen herausholt, weil das Anerkennen der Krankheit und die Erkenntnis ihrer Auswirkungen zuviel wäre. Auch dafür geben wir hier Raum“, erklärt Andrea Perner weiter.

Beraterinnen der Magdeburger Krebsliga

Sefanie Deutsch (l.) und Andrea Perner sind hauptamtlich beim Verein angestellt und beraten kostenlos Betroffene und Angehörige. Foto: Anna Mydla

Stefanie Deutsch, Geschäftsführerin der Krebsliga e.V. ergänzt: „Manchmal kommt der Partner oder die Partnerin und erzählt, wie wichtig es für den Betroffenen wäre, das Beratungsangebot anzunehmen, von Schwierigkeiten im Alltag, von der drückenden Last der Krankheit. Wichtig ist, auch das Leid der Angehörigen anzuerkennen“.

Es ist auch für den Partner, die Familie eine große Herausforderung den veränderten Alltag zu meistern, mit Emotionen umzugehen, sich Ängsten zu stellen. „Sie leisten viel in ihrem Alltag und erfahren im Rahmen der Beratungsstelle oft das erste Mal überhaupt, dass auch ihre Gefühle Raum nehmen dürfen. Da können dann auch schon mal Tränen fließen“, berichtet Stefanie Deutsch. Sie versorgen den erkrankten Partner, begleiten ihn zu Arztterminen, sind der Fels in der Brandung und das neben der eigenen Berufstätigkeit. Das kann eine enorme Belastung darstellen.

„Krebs trifft die ganze Familie. Denn die Krankheit ändert alles. Meistens ist ab dem Zeitpunkt des Sichtbarwerdens der Krankheit nichts mehr, wie es vorher war“, erzählt sie und weiter: „Wenn die Krankheit überwunden wird, hat es oft sehr positive Effekte. Das klingt erstmal seltsam, aber tatsächlich ändert sich bei vielen Betroffenen die Sichtweise auf das Leben. Hinterher engagieren sich viele für andere Betroffene oder informieren auf Veranstaltungen zu Hilfs- und Beratungsangeboten, sind aktiv in der Selbsthilfe“.

Viele Geschichten rund um die Krebserkrankung und dem Alltag mit ihr hören die beiden hauptamtlich beim Verein Angestellten von Betroffenen und ihren Familien. Sie erfahren von so manchem Schicksalsschlag, manchmal wendet sich das Leben vom Dunkel ins Licht und manchmal geht der Kampf gegen die Krankheit doch verloren. Es ist nie einfach und jeder einzelne Fall bewegt Andrea Perner und Stefanie Deutsch. „Im Sinne der Selbstfürsorge muss man da gut auf sich achten“, gibt die Psychoonkologin zu bedenken. So ist es auch nicht verwunderlich, dass die beiden Mitarbeiterinnen alle acht Wochen eine Supervision bekommen.

Aber wie schon erwähnt, stellt die Krebsliga e.V. nicht nur eine Anlaufstelle zur Beratung, sondern ist auch Schnittstelle für zahlreiche Selbsthilfegruppen.

Mittlerweile 110 Mitglieder zählt der Verein. Wobei sich zu Verreinsaktivitäten auch Nicht-Mitglieder tummeln, um bei zahlreichen Aktionen zu unterstützen. Doch die meisten Engagierten sind tatsächlich Menschen, die eine Krebserkrankung überwunden haben.

Aktiv ist das Vereinsleben: Vereinsfeste und -fahrten stärken den Zusammenhalt untereinander, die Aktiven der zahlreichen Selbsthilfegruppen lernen sich so auch mal untereinander kennen.

Gern genutzt wird auch das Angebot der Kunsttherapie, zur Ressourcenaktivierung und zur Stärkung der Selbstheilungskräfte. Das Angebot findet am 5. und am 19. November sowie am 3. Dezember, jeweils in der Zeit von 14.30 bis 16 Uhr statt.

Auch kostenlose Kosmetik-Seminare der Deutsche Knochenmark Stiftung finden in den Räumlichkeiten der Krebsliga e.V. statt. Viermal jährlich kommt dann eine Kosmetikexpertin und zeigt den interessierten Frauen, wie beispielsweise Augenbrauen mit dem Schminkstift entstehen und natürlich aussehen oder wie man Tücher schick bindet. Im Gepäck hat sie dann für Jede eine Tasche mit hochwertigen Kosmetikprodukten, mit denen probiert wird und die jede Teilnehmerin im Anschluss mit nach Hause nehmen kann.

In Kooperation mit dem Hallenser Verein Sachsen-Anhaltische Krebsgesellschaft e. V. wird in der Rehaklinik Bad Salzelmen am 1. Dezember eine Zukunftswerkstatt für Selbsthilfegruppenleiter angeboten, in dessen Rahmen informiert wird über Neuigkeiten aus der Selbsthilfelandschaft, über die Datenschutzgrundverordnung und auch darüber, wie wichtig Selbstfürsorge ist. „Unsere Gruppenleiter leisten viel, sind oft auch außerhalb unterwegs und das alles ehrenamtlich, obwohl sie die Krankheit vielleicht noch nicht einmal überstanden haben“, erzählt Andrea Perner und Stefanie Deutsch ergänzt: „Wir sind dankbar über unsere Ehrenamtler. Schön, dass es auch immer wieder Anlässe gibt, an welchen sie öffentlich Anerkennung erfahren“.

Beispielsweise wurde Ute Kleinschmidt, Gruppenleiterin der jungen Erwachsenen (von 18 bis 40 Jahre), kürzlich für ihre besondere Arbeit von der Stadt Magdeburg mit dem Magdeburger Freiwilligen Pass geehrt. „Denn Selbsthilfe ist auch was für junge Leute und sie lassen sich immer was Tolles einfallen, wie sie ihre gemeinsame Zeit gestalten wollen.

Für ihre unermüdliche Arbeit wurden auch Ursula Nittel und Marko Bömer vom Selbsthilfeforum in Halberstadt ausgezeichnet.

Ob nun kurzfristig im Rahmen einer persönlichen Beratung oder Weitervermittlung in Selbsthilfegruppen, an Mediziner, in Sportprojekte oder Ernährungsberatung – die Hilfe und Unterstützung der Magdeburger Krebsliga e.V. ist so vielfältig, wie die Menschen, die sie aufsuchen eben auch.

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