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Kleingarten-Oase mitten im Kiez

Ein Sprichwort besagt: „Willst Du ein Leben lang glücklich sein, dann leg einen Garten an.“ Wie viel Wahrheit in dieser Zeile tatsächlich liegt, können die Mitglieder des Gartenvereins Eichelschanze e.V. in Magdeburg-Stadtfeld nur bekräftigen.

Das grüne Fleckchen Erde des Vereins ist zwischen Schrote und Harsdorfer Straße in Stadtfeld West zu finden.

Von Anna Mydla

Zwei Männer zwischen blühenden Pflanzen in einem Magdeburger Kleingarten

Ein Meer von Blüten – der Sommer hat in der Gartensparte Eichelschanze in Magdeburg-Stadtfeld seine volle Pracht entfaltet. Foto: Anna Mydla

Weil auch schon zu früheren Zeiten Menschen, die in Stadtwohnungen lebten, sich nach Licht, frischer Luft und Grün sehnten, können die Mitglieder des Magdeburger Gartenvereins Eichelschanze auf ein mittlerweile 97-jähriges Bestehen zurückschauen. Damals gab es im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft der Schrebergartenvereine Magdeburgs von einigen Aktiven immer wieder Bestrebungen eine Gartenbau- und Siedlungsgruppe im Westen der Stadt zu gründen – eine Ortsgruppe Wilhelmstadt fand sich zusammen. Die Bemühungen beim Magistrat der Stadt trugen nun endlich Früchte und dem Einheitsverband wurden acht Morgen Land an der Großen Diesdorfer Straße zugesprochen. Und so konnten 45 Interessierte am 4. Februar 1921 den Verein „Gartenbau- und Siedlergruppe Wilhelmstadt im Einheitsverband der Kriegsbeschädigten und Hinterbliebenen, Ortsgruppe Magdeburg“ gründen. Ein Zaun wurde um das Areal gezogen, 36 Parzellen verteilt, ein Brunnen gebaut.

Nach dem zweiten Weltkrieg wurde 1948 der Verein in „Kleingärtnerverein Eichelschanze, Gartenverein und Erholungsstätte für Kriegsgeschädigte und Kriegshinterbliebene“ umbenannt. „Man bemühte sich, Gärten gerade an Versehrte oder Kriegswitwen zu vergeben, damit sie sich selbst mit Obst und Gemüse versorgen konnten. Gerade in den Kriegsjahren und denen darauf, sicherte der Anbau die Eigenernährung ganzer Familien. Sogar Hühner und Kaninchen wurden gehalten, um über die Runden zu kommen. Die 400 bis 530 Quadratmeter großen Gärten warfen so viel ab, dass übrig Gebliebenes auf dem Markt oder an Händler verkauft werden konnte“, berichtet Thomas Nowack. Er ist der mittlerweile 13 Vorsitzende des Vereins und hat von seinem Vorgänger etliche zum Teil historische Dokumente beerbt, die die Geschichte des Vereins belegen. Darunter das Protokollbuch der Gründungssitzung. Bei liegt eine Maschinenabschrift, da das Original noch in der damaligen Schreibschrift Sütterlin gehalten ist, welche heute kaum noch jemand lesen kann. Auch Pachtverträge aus den Anfangsjahren gehören zu diesem Schatz sowie eine Empfangsbescheinigung über zehn Kilo Stachelbeeren, fünf Kilo Johannisbeeren und fünf Kilo Kirschen – im Jahr 1943 ausgestellt vom Oberzahlmeister des Reservelazaretts IV in Magdeburg. „In den unterschiedlichsten Zeitepochen versorgte unser Verein die Menschen Magdeburgs mit Obst und Gemüse, darunter die Garnison Fort IV das Krankenhaus Kahlenbergstift, später Kindereinrichtungen und Altersheime“, weiß der Vorsitzende weiter zu berichten.

Im Jahr 1950 bekam der Verein nun seinen heutigen Namen Kleingartenverein Eichelschanze e.V.. „Vermutlich standen hier zu früheren Zeiten mal Eichen und die Nähe zum Fort IV bescherte wahrscheinlich den zweiten Teil des Namens“, mutmaßt Nowack. Genau wissen es die Vereinsmitglieder nicht, aber die Erklärung klingt zumindest sehr plausibel. Die Vereinsanlage wuchs und das Vereinsleben gedieh. Im Jahr 1973 erfolgte mit dem ersten Spatenstich für ein Vereinsheim, eine erneute Aufwertung der Anlage. Das 1977 eröffnete Haus wird durch die Familie Hauer/Ludwig mittlerweile in zweiter Generation bewirtschaftet und dient den Gartenfreunden als Dreh- und Angelpunkt.
Heute kann der Kleingartenverein auf mittlerweile 178 Mitglieder in 112 Parzellen und einen regen Zuspruch von jungen Familien stolz sein. Auch die Möglichkeit über den Verein eine Laube zu finanzieren besteht als Anreiz.

Im Gegensatz zu anderen Kleingartenvereinen im Stadtgebiet, in welchen teilweise die Hälfte aller Gärten leer steht und ein Hauch von Endzeitstimmung über dem Gartenglück liegt, kann sich der Eichelschanze e.V. regelmäßig über neue Mitglieder freuen. „Der Altersdurchschnitt bei uns liegt durchaus bei 65 bis 70 Jahren. Aber auch Familien interessieren sich häufiger für einen Garten. Ein oft genannter Grund ist, dass die Freizeitgestaltung mit Kindern schnell astronomische Dimensionen erreichen kann und die Eltern in einem Garten Entspannung und Erholung für sich und für die Kinder Bewegung und Beschäftigung an frischer Luft suchen. Die Leute verbringen ihre freie Zeit auch mal draußen und die Kinder lernen, dass Obst und Gemüse nicht im Supermarktregal, sondern in der Erde und an Bäumen wächst“, erzählt der Vereinsvorsitzende.

Zwar seien die Auflagen wovon wie viel angebaut werden soll längst nicht mehr so streng geregelt wie in der DDR. Aber es gibt auch heute Regeln die besagen, dass auf einem Drittel der Gesamtfläche eines Gartens Obst und Gemüse angebaut werden soll, ein Drittel sollte Rasenfläche sein und ein Drittel darf bebaut sein. Zu DDR-Zeiten waren die Kleingartenmitglieder angehalten Obst und Gemüse für die Bevölkerung abzugeben, heute baue jeder nur noch so viel an, wie er brauche. „Wenn man Saatgut, Strom und Bewässerung und Arbeitszeit zusammen rechnet, sind die Äpfel aus dem Supermarkt günstiger. Heute dient eine Garten eben nicht mehr vorrangig der Ernährung der Familie, sondern der Erholung“. Die Gartenfreunde erfreuen sich eher am Gärtnern selbst, an Blütenpracht und selbst Geerntetem, das immer besser schmecke als alles Gekaufte.

„Wir unterstützen wo wir können, ältere Gartenfreunde bekommen Hilfe bei Dingen, die sie allein nicht mehr bewerkstelligt kriegen und jungen Leuten wird natürlich auch mit Rat und Tat zur Seite gestanden“, versichert Thomas Nowack. Neben einem großen Zusammenhalt wird viel Wert auf ein buntes und lebendiges Vereinsleben gelegt. So wird im jährlichen Wechsel ein Sommerfest für alle Mitglieder und ein Kinderfest ausgerichtet.

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