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Heimatgeschichte: Magdeburg und die Ära Beims

In dieser Serie erinnert „Mein Stadtfeld“ an Persönlichkeiten, die auf dem Westfriedhof ihre letzte Ruhestätte gefunden haben. Eine davon ist Oberbürgermeister Hermann Beims, ein Verfechter des vom Bauhaus-Stil der Moderne geprägten sozialen Wohnungsbaus in Magdeburg. Darüber hinaus modernisierte Beims Magdeburg auf vielen anderen Gebieten.

Hermann Beims, ehemalige Oberbürgermeister von Magdeburg

Hermann Beims hat sich besonders im sozialen Massenwohnungsbau in Magdeburg verdient gemacht. Foto: Sammlung Kaiser

Von Karl-Heinz Kaiser

Es war der 6. September 1930 in der größtenteils bereits vollendeten Siedlung an der Großen Diesdorfer Straße, als Oberbürgermeister Hermann Beims einen von vielen Bewohnern gefeierten Auftritt hatte. Beims war gekommen, um den Grundstein für einen langersehnten Gemeinschaftskomplex zu legen. Dieser sollte eine Wäscherei, ein Siedlungsbad mit Duschen und Wannen und einen Kindergarten umfassen. Als Standort war die Grünanlage an der Flechtinger Straße gewählt worden.

Den umstehenden Siedlern rief damals der Oberbürgermeister zu: „Für Ordnung in der Gemeinschaft! Für die Gesundheitspflege der Bewohner! Für die Zukunft unsrer Kinder!“ Die programmatischen Worte umrissen den Charakter der von Hermann Beims und seinem Magistrat verfolgten auf das Gemeinwohl gerichteten Kommunalpolitik im Magdeburg der Weimarer Republik.

Wer war dieser Hermann Beims, dessen mit niedrigen Buchsbaumhecken und Blühpflanzen umgebene eher schlichte Grabstätte sich an einem der zentralen Mittelwege des Westfriedhofs befindet. Und worin bestanden denn seine Leistungen, die ihn mindestens in der Stadtgeschichte als bedeutende Persönlichkeit kennzeichnen?

Hermann Beims war 56 Jahre alt, als er am 15. Mai 1919 zum Oberbürgermeister gewählt wurde. Zwölf Jahre verblieb der Wahl-Magdeburger, geboren 1863 in Haverlah, Kreis Goslar, als Chef des Rathauses im Amt. Der gelernte Tischler und spätere SPD-Arbeitersekretär war seit 1905 Mitglied im Magdeburger Stadtrat. Ab 1917 gehörte er dem Magistrat an. Bei den Kommunalwahlen 1919 errang die SPD unter seiner Führung die Mehrheit im Stadtparlament.

Die Wahl zum Stadtoberhaupt war die Krönung seiner bisherigen Laufbahn. Der Erfolg wurde dem ehrgeizigen Kommunalpolitiker keinesfalls in die Wiege gelegt. Die komplexen Nachwirkungen des ersten Weltkriegs beeinflussten Politik, Gesellschaft und die Lebensumstände der Mehrzahl der Bewohner negativ. Die Versorgungslage war desolat, die Wirtschaft lag am Boden, die Bautätigkeit war in den Kriegsjahren ins Stocken geraten. Letzteres führte auch dazu, dass in Magdeburg tausende Wohnungen fehlten, Menschen unter unerträglich beengten Wohnungen hausten, am Stadtrand in Gärten wilde Siedlungen entstanden, in der Familien Unterkunft suchten.

Zugleich begann nach dem ersten Weltkrieg eine bedeutsame Phase des gesellschaftlichen Aufbruchs. Sie war verbunden mit der Weimarer Demokratie und der Zeit der Moderne auf vielen gesellschaftlichen Gebieten. Die Bauhaus-Gründung 1919 übte spürbaren Einfluss darauf aus. In der Beförderung dieses fortschrittlichen Phänomens in den 1920er-Jahren sah Beims die Chance für sein Amt und für Magdeburg.

Eines der wichtigsten Ergebnisse seines Wirkens ist der Bau von städtischen Siedlungen und Wohnquartieren. Mehr als ein Dutzend davon wuchs in seiner Amtszeit oft im Rahmen des genossenschaftlichen Bauens am Stadtrand heran. Die Banksche-, heute Curiesiedlung, die Siedlung Cracau, die Weiterführung der Angersiedlung und der Gartenstadt-Kolonie Reform, Schneidersgarten und die Gartenstadt Westernplan sind einige Beispiele dafür. In der Regel handelte es sich um sozialen, geförderten bzw. gemeinnützigen Massenwohnungsbau in ganz neuer, von der Moderne geprägten Architektur und Stadtplanung. Licht, Luft, Sonne, Innentoilette, Küche und teils Bad, Farbe gegen Tristesse lautete die Devise.

Das brachte Magdeburg weithin den Ruf als Stadt des Neuen Bauwillens ein. Beims, sein zeitweiliger Stadtbaurat Bruno Taut, den er eigens aus Berlin geholt hatte, Johannes Göderitz in dessen Nachfolge, avantgardistische Architekten wie Carl Krayl und Hans Holthey oder Paul Schaeffer-Heyrothsberge gehörten zu den Protagonisten in Magdeburg.

In der Amtszeit Beims kam das Neue Bauen auch in der Wilhelmstadt sehr offensichtlich zum Tragen. Im heutigen Stadtfeld entstanden zwei herausragende Wohnsiedlungen – ab 1923/24 der Westernplan als Mischung aus Gartenstadt und großstädtischem Viertel mit Mietergärten (heute von der WG von 1893 eG bewirtschaftet). Gut ein Jahr später startete mit der Siedlung an der Diesdorfer Straße, der späteren Hermann-Beims-Siedlung (heute Eigentum der WOBAU mbH), das bedeutendste Projekt des modernen Siedlungsbaus in Magdeburg.

Es wurde damals in ganz Deutschland zum Musterbeispiel für qualitativ hochwertigen sozialen Wohnungsbau der Moderne im Kampf gegen die Wohnungsnot.

Die wichtigsten Bauherren dieser Siedlung, für die die Stadt Bauland bereitstellte, waren der mit städtischen Anteilen betriebene Verein für Kleinwohnungswesen (G.m.b.H) und die Magdeburger Gemeinnützige Heimstätten A.G.. Als Architekten des neuen Baustils fungierten Konrad Rühl, Gerhard Gauger, Willy Zabel, Adolf Otto.

Die insgesamt 2.100 Siedlungshäuser wurden im Wesentlichen von 1925 bis 1929 gebaut, die oben erwähnten Gemeinschaftseinrichtungen im Grünzug an der Flechtinger Straße von 1930 bis 1932. Möglichst vielen Menschen sollte in der Hermann-Beims-Siedlung solides und gesundes Wohnen zu erschwinglichen Preisen ermöglicht werden. Die größtenteils in Nord-Süd-Richtung ausgerichteten Wohnbauten entstanden mit kostengünstigem Material und in versachlichter Fassadengestaltung. Die Wohnungen waren sparsam zugeschnittenen. Vorwiegend wurden dreigeschossige Häuserzeilen, zu Kuben gestaffelte Gebäude errichtet. Bedeutendes Charakteristikum der Siedlung waren die großen begrünten Wohnhöfe.

Der soziale Wohnungsbau wird meist stellvertretend für die Gesamtleistung von Hermann Beims genannt. Auf anderen Gebieten erzielte er teils gleichwertige Fortschritte für die Stadt. Sein visionäres Ziel war, das wachsende Industriezentrum zur Metropole Mitteldeutschland mit zukünftig bis fast einer Million Bewohnern zu entwickeln. Das gelang trotz intensiver Bemühungen nicht. Doch Beims und den fortschrittlich gesinnten Kräften des Stadtrats gelang die Überwindung des über Jahrzehnte aufgelaufenen Entwicklungs- und Investitionsstaus. Das ehemaligen Festungsgelände wurde weiter genutzt, die heutige Sternbrücke vollendet sowie die Straßenbahntrasse/Vorortbahn nach Schönebeck/Frohse eingerichtet. 1929 wurde der Zweigkanal zur Erschließung der angelegten Häfen eröffnet, so am Trennungsdamm und der Großgaserei eröffnet. Die Planungen für das Schiffshebewerk begannen. Das Schulwesen wurde reformiert, neue Schulbauten und Versuchsschulen für Reformpädagogik entstanden, so in der Schmeilstraße in der Wilhelmstadt. Krankenhäuser wurden gebaut, die Stadthalle, das damit verbundene Ausstellungszentrum und der Aussichtsturm entstanden.

Magdeburg und speziell auch Stadtfeld nahm in der Weimarer Republik unter der Ägide von Hermann Beims einen enormen Entwicklungsschub, der bis heute nachwirkt.

Hermann Beims Amtszeit dauerte zwölf Jahre, verabschiedet wurde er am 15. Mai 1931. Schon etwa sieben Monate danach, am 20. Dezember 1931, ereilte ihn der plötzliche Tod. Ihm wurden posthum zahlreiche Ehrungen zuteil. Die Siedlung an der Großen Diesdorfer Straße wurde in Hermann-Beims-Siedlung umbenannt.

Die Ära Beims wird im Kulturhistorischen Museum ab März in einer Sonderausstellung gewürdigt. Anlässlich des 100. Jahrestages der Wahl Beims zum Oberbürgermeister am 24. April ist im Zusammenhang mit der Magdeburger Moderne ein Kolloquium geplant.

Weitere spannende Geschichten aus Magdeburg lesen Sie in der aktuellen Ausgabe „Mein Stadtfeld“.

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