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Heimatgeschichte: Der Brand in der Magdeburger Munitionsfabrik

Große Brandkatastrophen und ihre Folgen verbleiben über Generationen im Gedächtnis haften. Nach dem folgenschweren Feuer in der Wilhelm-Raabe-Straße (siehe Aprilausgabe) schlitterte die Wilhelmstadt bald haarscharf an weiteren Katastrophen vorbei.

Historischer Brand in Magdeburg

Rauchwolken quellen aus dem Nebengebäude des Hofjägers in Magdeburg. Repro: Karl-Heinz Kaiser

Von Karl-Heinz Kaiser

1927 ging der Heeresschuppen der Patronen- und Metallwarenfabrik Polte in Flammen auf. 1928 wütete in der Öl- und Lackfabrik von Hermann Schwarz, Große Diesdorfer Straße 210, ein Großfeuer. Im Magdeburger Adelheidring 4b traf es zehn Jahre später mit dem „Hofjäger“ ein stadtweit bekanntes Etablissement. Auf Grund der Leserresonanz begab sich „Mein Stadtfeld“ erneut mit dem Magdeburger Feuerwehrhistoriker Horst Weigand auf Spurensuche in der Wilhelmstädter Feuerwehrgeschichte.

12. Mai 1927, Nachmittag gegen 2.15 Uhr: Die ganze Dramatik im damals zwischen Sudenburger Bahnhof und Liebknechtstraße (damals noch Poltestraße) errichteten neuen Polte-Werk erfuhr die Öffentlichkeit erst in einem Hintergrund-Zeitungsbericht vom 19. Mai. Nur 15 Meter neben dem in voller Ausdehnung brennenden Lager, dem sogenannten Heeresschuppen, befand sich die Patronenfüllstation des Werkes.

Dort lagerten Mengen an Sprengstoff. Zu allem Unglück entfachte ein Sturm mit einer Geschwindigkeit von 10,6 Metern in der Sekunde immer wieder den gewaltigen Flammenherd am Lagerschuppen. Dächer, Türen und Fenster der Patronen-Füllstation des nahen Brandherdes mussten ständig mit Wasser gekühlt werden. Es war dem großen Können und dem Mut Magdeburger Berufsfeuerwehr zu verdanken, dass es nicht zu einer verheerenden Explosion in der Patronenfüllstation kam.

Der Brandort, das neue Polte-Werk, befand sich an der heutigen Liebknechtstraße/Ecke Südring. Es war als Werkserweiterung für einen Großauftrag des preußischen Kriegsministeriums für die Herstellung von 40 Millionen Patronenhülsen für das damals neue Armeegewehr K 98 entstanden. Das Werk entwickelte sich danach zu einem der größten Rüstungsproduzenten Deutschlands.

Daher rührten die eingelagerten Sprengstoffmengen im ursprünglich reinen Armaturenwerk von großer Reputation. Dieses Ansehen verlor das Unternehmen durch die Beschäftigung von Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen im Zweiten Weltkrieg.

Der Kenner der Magdeburger Feuerwehr-Geschichte, Horst Weigand, hält diesen Brand und den Feuerwehrweinsatz für einen der spektakulärsten der 1920er-Jahre in Magdeburg. Noch nicht vollständig ausgereift war damals die Brandschutzinfrastrukur, auch im sich entwickelnden Industrie-und Gewerbestandort Wilhemstadt, wie zum Beispiel das Brandmeldesystem. Der erste Löschzug vergeudete viel Zeit, weil er durch einen Feuermelder in der Helmstedter Straße auf die falsche Seite der Gleistrasse gelenkt wurde und einen Umweg zum Übergang Sudenburger Bahnhof nehmen musste. Das Meldesystem ständig auf neuesten Stand bringen, galt schon damals als fortwährende Aufgabe.

Die Folgen des ersten Weltkriegs wie Inflation und Weltwirtschaftskrise hatten diesen Prozess gehemmt.

Dennoch hatte die Feuerwehr eigenständig 1924/25 erste Versuche unternommen, die sich entwickelnde Funktechnik im Feuermeldewesen einzubinden. Die drahtlose Telegrafie ermöglichte exaktere Kommunikation bei Bränden. Allerdings kostete ein Funkgerät damals bis zu 4000 Reichsmarken, das war eine enorme Summe. 1926 wurden Funkstellen in der Feuerwache Altstadt (zuständig für Stadtfeld) und Neustadt eingerichtet, 1931 eine mobile Funkstelle auf einem Ingenieurkraftwagen untergebracht. Der eigentliche Sprechfunkkontakt in der Feuerwehr begann jedoch erst 1958.

Generell aber, so Horst Weigand, war die damalige Wilhelmstadt brandschutzmäßig schon damals in guten Händen. Immerhin hatte die zuständige Feuerwache Altstadt die Nase vorn beim Einsatz fortschrittlicher Technik. Auch vorbeugender Brandschutz wurde zunehmend betrieben. Magdeburg zählte feuerwehrtechnisch zu den Vorreitern in Preußen. Hier wurde die Rauchmaske erfunden und eine neuartige Schlauchkupplung sowie ein sogenannter Rutsch- oder Rettungskloben zum Abseilen von Personen aus oberen Stockwerken brennender Häuser.

Dennoch brachten Großbrände in den 1920er und später in den 1930er Jahren die Wilhelmstadt immer wieder an den Rand einer Katastrophe. Am 14. Juni 1928 bewegte ein Großbrand ganz Magdeburg – das auch wegen des Zwischenfalls, der heute nahezu kurios anmutet. Gegen 8.10 Uhr war der Brand eines Kesselhauses in der Öl- und Lackfabrik von Hermann Schwarz, Große Diesdorfer Straße 210 der Hauptwache Altstadt gemeldet worden. Übergekochtes Öl aus drei Kesseln verursachten ein Flammenmeer; aus dem Schornstein des Kesselhauses am Fabrikeingang „loderte eine mehrere Meter hohe, hell brennende Flamme gen Himmel“, schrieb die Zeitung tags drauf. Die große Sorge bestand darin, dass das Feuer auf das in der Nachbarschaft befindliche große Öllager der Firma und dann auf angrenzende Gebäude des Stadtteils übergriff. Das konnte verhindert werden.

Bei der Anfahrt des Sudenburger Löschzuges kam es zu einem schwerwiegenden Zwischenfall. Am ersten Fahrzeug des Löschzuges wurde an der Ecke Fichte-/Lutherstraße der Alptraum aller Kraftfahrer Wirklichkeit – ein Vorderrad löste sich in voller Fahrt.

„Zum Glück aber“, so berichtete der Generalanzeiger, „ wurde das abspringende Rad vom Kotflügel gehalten. Doch wurde der etwa 120 Zentner schwere Wagen noch 20 Meter weit geschleift, ehe er durch den Fahrer zum Halten gebracht werden konnte.“

Die Episode aus der Magdeburger Berufsfeuerwehr, in der die Kraftfahrzeugtechnik gerade den Kinderschuhen entwachsen war, ging glimpflich aus. Die Feuerwehrleute ernteten letztlich großes öffentliches Lob.

Dank neuer Methoden nämlich hatte sie die brennenden Ölmassen relativ rasch im Griff. Horst Weigand: „Der Brand wurde mit Schaum bekämpft. Dieser wurde mittels Schaumpulver über einen Generator erzeugt und mit einem Schaumrohr ausgeworfen.“

Das damals quasi (brand-) neue Löschverfahren „hat sich bei diesem Oelbrande, der mit Wasser kaum hätte so erfolgreich bekämpft werden können, ausgezeichnet bewährt“, lobte 1928 der Generalanzeiger.

Zehn Jahre später ging mit dem „Hofjäger“ im Adelheidrund 4b ein beliebtes Etablissement in Flammen auf. Am 20. Dezember gegen 7 Uhr war, so berichtet der Generalanzeiger in einem halbseitigen Artikel, „eine Frau auf die Straße gestürzt, die laut um Hilfe rief. Ein Polizeiwachtmeister, der auf dem Weg zum Dienst war, alarmierte sofort die Feuerwehr. Als diese eintraf, brannten Café und Küche des kompletten Holzbaus auf einer Länge von 50 Metern“. Dem pausenlosen Einsatz der Feuerwehrleute auf dem vereisten Dach bei 14 Grad Celsius war es zu verdanken, dass die umliegenden ebenfalls hölzernen Gebäude nicht auch noch in Flammen aufgingen – auch für die Tankstellen am nahegelegenen (heutigen) Damaschkeplatz bestand größte Gefahr. Die Ursachen auch dieses Brandes wurden nicht restlos geklärt.

Der Geschichte Magdeburgs nachspüren – lesen Sie spannenden Rückblicke in jeder neuen Ausgabe „Mein Stadtfeld“.

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