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Frauenberatung bietet Hilfe für Opfer von Gewalt

Häusliche Gewalt an Frauen ist leider immer noch ein Thema – egal ob körperlicher, psychischer, sozialer, finanzieller oder auch sexueller Natur. Die Frauen stecken oft jahrelang in einer Beziehung bestimmt von Abhängigkeit, Macht und Kontrolle – unfähig, sich daraus zu befreien. Die Frauenberatungsstelle in Magdeburg-Stadtfeld bietet Hilfe.

Frau verbirgt sich

Foto: sokaeiko/pixelio.de

Von Anna Mydla

Wer als nicht Betroffener von solchen Fällen liest oder hört, fragt sich unweigerlich, warum geht sie nicht einfach, warum lässt sie sich das gefallen? Die Wechselwirkungen und Abhängigkeiten wirken auf so vielen verschiedenen Ebenen und haben ihre Wirksamkeit meist schon über Jahre entfalten können. Zudem gibt es meist finanzielle Abhängigkeit, die Angst eventuell das Sorgerecht für die Kinder zu verlieren oder dann ganz allein da zu stehen und vielleicht niemanden mehr im Leben zu finden.

Eine Anlaufstelle für von häuslicher Gewalt und Stalking betroffene Frauen ist die Frauenberatung Magdeburg in Trägerschaft des Rückenwind Bernburg e.V.. Die Beraterinnen in der Immermannstraße 19/Eingang Ecke Olvenstedter Platz geben Ratsuchenden Auskunft über erste Schritte die unternommen werden können – egal ob diejenige den Partner verlassen möchte oder nicht. Sie können im Bedarfsfall weiter vermitteln oder bieten einfach nur ein offenes Ohr. „Manchmal reicht das einfach auch schon aus“, wissen die beiden Beraterinnen zu erzählen, und weiter: „In den meisten Fällen unterstützen und begleiten wir einfach. Wir verstehen das Beratungsangebot als eine Art Dienstleistung. Manche Frauen sprechen hier das erste Mal überhaupt aus in welcher Situation sie sich befinden. Ihnen wird bewusst, was sie vielleicht schon Jahre durchmachen“. Aber nicht nur das Gewahr Werden der eigenen Situation hat hier ihren Platz, auch das Erstarken im Sinne der Selbstwirksamkeit kann hier erreicht werden. „Die meisten Frauen, die zu uns kommen, denken, sie kommen sowieso nicht aus ihrer Situation heraus, haben Angst es allein nicht zu schaffen und sehen überhaupt nicht, was sie im Alltag bereits alleine stemmen müssen. Die Situation ähnelt sich in den Gesprächen immer wieder, doch jede von ihnen geht anders damit um, ist von Typ zu Typ unterschiedlich“, können sie aus ihrer langjährigen Beratungstätigkeit erzählen.

„Mit das erste was wir erfragen ist, ob eine Anzeige gestellt wurde und ob dies gewünscht ist. Die Entscheidung darüber lassen wir aber bewusst bei der Frau. Natürlich informieren wir, wofür eine Anzeige gut oder sinnvoll ist“, so die Beraterinnen.

Aber nicht nur die reine Beratungsleitung ist Bestandteil der Einrichtung. Vielfach stehen sie den Frauen auch zur Seite, wenn es um die Vermittlung mit Ämtern geht. Denn die heimische Situation besteht zumeist schon länger und ist eine starke psychische Belastung. „Eine Frau, die gerade häusliche Gewalt erlebt oder durchlitten hat, kann dem Jobcenter oder dem Arbeitsamt schlecht erklären, warum sie unter Umständen gerade keine Beschäftigung annehmen kann. Solche tiefgreifenden, persönlichen Erfahrungen trauen sich die Wenigsten auf dem Amt mitzuteilen. In der Folge gehen zumeist noch weitere Dinge schief“. Um diese Ereigniskaskade aufzuhalten, klinken sich die Beraterinnen zur Vermittlung ein.

Manchmal ist die Betroffene in solch einer Bedrohungssituation, dass ein Kontakt- bzw. Annäherungsverbot erwirkt werden muss. Dazu muss das Opfer nachweisen, dass der Partner bzw. Ex-Partner Gewalt ausübt oder die Betroffene stalkt. „In solchen Situationen empfehlen wir ein Stalking-Tagebuch. Hilfreich ist auch das Sammeln von Anrufen des Stalkers, Sprachnachrichten, Chatverläufen. All dies und gegebenenfalls auch ein Gedächtnisprotokoll wird einem Richter vorgelegt, der ein solches Verbot verhängen kann“.

„Erschwerend zu ökonomischen, emotionalen Abhängigkeiten kommt bei den Frauen häufig hinzu, dass die Wahrnehmung ihrer selbst und den tatsächlichen Ausmaßen der Situation sich in den letzten Jahren verändert hat, Das Selbstbewusstsein oftmals schon gelitten hat. Außerdem vertuschen die Frauen aus Scham ihre Situation meist schon seit Jahren erfolgreich vor der Außenwelt. Dann kann so eine Offenbarung schon sehr überraschend kommen. „Was wir dringend in solchen Situationen anraten ist, sich einer Vertrauensperson zu öffnen. Tatsächlich ist das schwierig, wir hören immer wieder, dass die Frauen sich niemandem in ihrem Umfeld anvertrauen können. Und wenn sie es doch versuchen, schildern sie alles in höchst abgeschwächter Form und bekommen dann natürlich oft ein ‚Na, das renkt sich schon wieder ein‘ oder ein ‚Das ist uns allen schon passiert‘. Meistens trauen sie sich verständlicherweise dann keinen weiteren Vorstoß mehr zu. Es ist unglaublich schwierig, sich mit so einer Geschichte an jemanden zu wenden. Gerade weil die Frauen sich in ihrer Situation sehr schämen. Was total unnötig und natürlich sehr hinderlich ist.“

Ein wichtiger Bestandteil der Beratungsaufgaben ist die so genannte Stabilisierungsarbeit. Hierbei wird individuell geschaut, was die Stärken der Betreffenden, was ihre Ressourcen sind. Wichtig ist Zuspruch, zu spiegeln, was sie bereits allein alles geschafft haben – Empowerment heißt das in der Fachsprache. Und meint nichts anderes, als das Erkennen der eigenen Stärke und damit weiteres Erstarken zu fördern.

„Sich plötzlich in einer gewaltvollen Beziehung wieder zu finden, ist kein spezifisches Problem von Einkommensklasse oder Bildungsstand. Das findet sich überall. Im Gegenteil, je höher angesiedelt die Betreffende ist, je höher das soziale Ansehen, desto schwieriger ist es für die Frauen aus ihrem Schweigen heraus zu treten und sich mitzuteilen. Wir hören dann Dinge wie ‚Ich habe studiert und mir passiert sowas‘. Das ist natürlich Quatsch. Das kann jede treffen“. Egal welche Einkommensklasse oder welcher Bildungsstand, wichtig ist einen Weg raus aus der Situation zu finden.

„Kommt es zu einer Grenzüberschreitung körperlicher Art im Streit, sind meistens beide Seiten erschüttert, ihm tut es dann sehr leid und er entschuldigt sich. Sie will ihm natürlich glauben, sie liebt ihn und es hängt ein ganzes Leben daran. Doch ist mit dieser ersten Grenzüberschreitung die Tür quasi ein Stück weit aufgestoßen. Und mit jeder neuen Grenzüberschreitung ist die Tür noch ein bisschen weiter auf. Wenn die Frauen zu uns kommen steht sie bereits sperrangelweit auf“, dieses Prozedere kann sich über Jahre hinziehen. „Eine echte Chance haben die Paare, in welchen er bereit ist selbst an sich zu arbeiten. Manchmal kann man schlecht mit seinen Aggressionen, Frustrationen umgehen bzw. manchmal hat man nie gelernt, was ein passendes Ventil sein kann. Gerade Männer neigen dann zur Körperlichkeit in stressigen, ausweglosen Situationen. Wir raten dann entweder zur Anlaufstelle von „Pro Mann“ oder zu einer Therapie“, sagen die Beraterinnen.

Neben dem ersten Auffangen der Frauen, der Beratung und weiteren Betreuung bzw. Vermittlung gehört zum Arbeitsspektrum der Beratungsstelle ebenso die Sensibilisierung und das Coaching von Fachleuten. Natürlich können sich diese auch stets bei den Beraterinnen melden, wenn ihnen in ihrer Arbeit etwas auffällt und sie selbst Unterstützung suchen, um mit der Situation umzugehen.

Interessiert an weiteren Neuigkeiten aus Magdeburg? Lesen Sie die aktuelle Ausgabe „Mein Stadtfeld“.

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