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Graffiti-Kunst in Magdeburg

Gordon Motsch: „Eine Stadt sollte wie eine Galerie sein“

In Magdeburg führt beinahe kein Weg an ihnen vorbei, den professionellen Kunstwerken der Graffitikünstler von Strichcode Art. Kopf der kreativen Gestalter ist der Stadtfelder Gordon Motsch. Doreen Richter bat ihn zum Interview.

Wie und wann sind Sie zur Graffiti-Kunst gekommen?
Ich bin 1996 aus Schönebeck nach Magdeburg gezogen, musste aber noch ein Jahr in Schönebeck zur Schule. Darum bin ich jeden Morgen mit dem Zug gefahren und habe entlang der Bahnstrecke viele Graffitis gesehen. So bin ich darauf aufmerksam geworden. Dann habe ich es selbst probiert und nach und nach Leute kennengelernt, die das auch gemacht haben. Alles fing ganz langsam an und hat Jahre gedauert, bis da mal etwas Gutes rauskam. Ich habe schon als Kind viel gezeichnet. Aber immer nur auf einem Blatt Papier, das war auf Dauer langweilig.

Was war Ihr erstes Graffiti?
Das weiß ich nicht mehr, aber ich weiß, dass es bestimmt nicht gut war.

Gab es Vorbilder?
Naja, ein paar schon, aber es gab ja damals noch kein Internet. Und so hatte ich ein paar Bücher. Vorbilder waren eher Leute aus der Magdeburger Szene, die ich gut fand. Von denen wollte ich lernen.

Was ist das Faszinierende am Sprayen?
Als Jugendlicher war es halt was Besonderes, etwas, das nicht jeder macht. Da gab es nur diesen kleinen Kreis von Leuten. Ich finde gut, dass es so kreativ ist, man trifft sich mit Freunden, tauscht sich aus, ist draußen, reist herum, oder man macht auch mal etwas zusammen.

Provokativ gefragt: Hat Graffiti nicht meist etwas mit Farbschmierereien an Hauswänden oder Brücken zu tun?
Das ist Ansichtssache. Eine graue Mauer finde ich noch viel hässlicher. Kommt halt drauf an, was dran gezeichnet ist. Außerdem gefällt niemandem alles.

Wo schaut ein Graffiti-Künstler bei anderen Bildern als erstes hin?
Ich schaue zuerst auf das Technische, den Stil und darauf, was derjenige aussagen möchte. Vielleicht sehe ich etwas, das ich selbst noch nicht kenne.

Gab es eigentlich in der DDR eine Graffiti-Szene?
Ich habe die Zeit zwar nicht aktiv erlebt, aber vom Hörensagen weiß ich, dass es die gab. Die ganze HipHop-Szene, auch mit Breakdance und Graffiti, hatte in der DDR eine Hoch-Zeit. Gerade, als so Filme wie Wild Style und Beat Street aufkamen, ging das auch bei uns los. In Magdeburg war Breakdance angesagt.

Wo holen Sie sich Ideen für Ihre Motive?
Das ist total unterschiedlich. Von Freunden, aus der Umwelt, überall gibt es Formen und Farben, die inspirieren können.

Sind Sie schon mal nachts aufgewacht, weil Sie im Traum eine Idee hatten, die Sie unbedingt festhalten wollten?
Das weiß ich nicht mehr, aber in letzter Zeit nicht. Das kommt aber auch daher, dass das jetzt meine Arbeit ist, dass wir das ja tagtäglich machen. Da bleibt ehrlicherweise auch ein Stück Leidenschaft auf der Strecke.

Das momentan bekannteste Werk von Strichcode Art ist das Mädchen an der Giebelwand eines Plattenbaus in der Lumumbastraße im Stadtteil Neustädter See. Wie malt man eigentlich ein so riesiges Bild?
Es gibt da gewisse Hilfsmittel, die machen die Sache etwas leichter. Wir haben hier mit einem Raster gearbeitet. Gut war dabei, dass es dieses Raster ja schon an der Wand gab, durch die Platten. Man hat also eine Raster-Zeichnung auf einem Blatt Papier und übertragt das Bild dann vor Ort an die Wand. Das hat man irgendwann raus.

Gibt es ein Objekt in Magdeburg, bei dem es Ihnen in den Fingern juckt, das Sie gern gestalten würden?
Ja, den Aussichtsturm im Stadtpark.

Warum?
Der ist so grau. Und weil es ein markantes Gebäude ist, das da so relativ ruhig steht. Und er hat vier Seiten. Da könnte ruhig etwas Farbe dran. Ich würde das aber gar nicht allein machen wollen. Ich könnte mir vorstellen, dass die Magdeburger sich da beteiligen. Es ist ja auch ein Turm für alle. Aber es gibt noch einen Haufen anderer Flächen, die dringend eine Gestaltung brauchen. Zum Beispiel die Durchgänge unten an der Sternbrücke, aber auch in Stadtfeld gibt es noch viele Flächen.

Stadtfeld ist voll von illegalen Graffitis. Was halten Sie davon?
Das werden wir oft gefragt. Es ist schwer zu sagen, was davon Mist ist und was Kunst. Für mich gehört es zum Stadtleben dazu. Wir werden auch nicht gefragt, ob uns die ganze Werbung stört, mit der die Straßen zugepflastert sind. Warum sollen die Leute nicht Zeichen setzen, es geht ja zum Teil auch um politische Statements. Für mich ist das ein Sinnbild der Vielfalt, ein Zeichen für Urbanität, dass hier eben auch junge Menschen leben. Ich glaube, eine Stadt sollte wie eine Art Galerie sein. Das zeigt, dass sie lebt. Magdeburg würde mehr Farbe gut tun, die Stadt sollte urbaner werden, gerade auch im Hinblick auf 2025. (Anm. der Redaktion: Magdeburg hat sich als Kulturhauptstadt 2025 beworben).

Schon mal illegal gesprayt?
Als Jugendlicher denkst du da nicht drüber nach und machst das einfach. Ich wurde erwischt, das war dann auch das letzte Mal. Aber mir war damals schon klar, dass es nicht mein Ding ist, nachts illegal zu sprayen. Ich wollte einfach kreativ sein.

Ihr gebt ja auch Workshops. Wie kann man eigentlich das Sprayen beginnen, ohne es illegal zu tun?
Zum Beispiel bei uns im Workshop. Aber es gibt auch in jedem Stadtteil legale Flächen, wo man sich austoben kann. Die Aerosol-Arena zum Beispiel. Da ist Magdeburg übrigens weit vorn, andere Städte wie Leipzig haben trotz großer Szene bei Weitem nicht mehr so viele Flächen für Graffitikunst.

Wo kann man denn einen eurer Workshops besuchen?
Wir sind vom 11. bis 13. Mai beim Street Art Festival in der Festung Mark mit einem Workshop vertreten. Da kann jeder einfach vorbeikommen. In Planung ist auch ein Projekt an der Uni, aber da steht noch nichts fest.

Was kostet dieses Hobby eigentlich?
(lacht) Das ist schon ein teurer Spaß. Eine Spraydose kostet fünf Euro, für ein Bild braucht man so fünf bis zehn Dosen. Das kann man sich hochrechnen. Gerade am Anfang kriegt man ja vieles noch nicht so hin, da braucht man schon einiges an Material. Doch neben dem Geld ist es auch ein Hobby, bei dem man viel Zeit investieren muss, um gut zu werden. Es gibt ein hohes Frustrationspotential, da heißt es durchhalten. Bis man einigermaßen gut ist, dauert es Jahre. Deswegen ist es auch nur ein kleiner Kreis von Leuten, der das macht, weil man immer dranbleiben muss.

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